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Christine(R)

17.09.2017, 20:31
 

„Lieder der kleinen Leute“ auf dem Musikfloß (Musik)

Konzert von Hisztory am 16.8.17 in Lychen in der Uckermark

Es ist immer etwas ganz Besonderes, wenn das Musikfloß in der kleinen uckermärkischen Flößerstadt Lychen auf den See hinaus fährt. An Bord sind viele musikbegeisterte Menschen, ein bißchen Technik, besonders liebevoll zubereitete Mahlzeiten und genug zu trinken für die Pause.

Wenzel ist hier schon zweimal aufgetreten, Tobias Morgenstern, Dirk Zöllner und Tino Eisbrenner. Der Künstler, der heute hier spielt und singt, ist nicht ganz so bekannt, aber immerhin preisgekrönt. Und ihn verbindet mit der Fahrt auf dem Floß auch der Inhalt eines seiner bekanntesten Lieder. Der Held aus seinem„Saucier“ ist allerdings nicht auf einem Floß sondern im Krieg in einem Patrouillenboot unterwegs. Beide sind sie Köche: der Liedermacher Hisztory und sein „Saucier“. Nur ist Hisztory glücklich verheiratet und hat Familie. Der Saucier, dessen Geschichte er singt, erträumt sich mitten in den Grauen des Krieges eine solche Zukunft mit dem December Girl vom Playboy. Als er nach Paris gehen sollte, um dort seine Künste des Saucenmachens zu verfeinern, erhielt er den Musterungsbescheid..

Hisztory, junger Musikpoet aus Leipzig, stieg am Tag des Konzerts mit Rucksack und einem Gitarrenkoffer, der sorgsam mit einer Regenplane umwickelt ist, in Lychen aus dem Bus aus. Denn am Morgen bei der Abfahrt schüttete es in Leipzig wie aus Kübeln. Er ist ein herzlicher und ein raubeiniger Musiker, der nicht umsonst angibt, von Tom Waits und Gerhard Gundermann beeinflusst worden zu sein.

Das Musikfloß vom Lychener Kanubetrieb „Treibholz“ ist für den Liedermacher ein wahrhaft würdiger Auftrittsort. Die Atmosphäre könnte schöner nicht sein. Zunächst ist es noch ein wenig hell, wenn das Floß auf den See hinausfährt. Dann geht die Sonne langsam über dem See unter, und der Liedermacher singt seine Geschichten in die Nacht hinaus.

Und er erzählt in seinen Liedern Geschichten, die man sonst nirgendwo hört. Er singt weiterhin das „Lied der kleinen Leute“, wie auch auf seiner letzten CD. Wir hören Geschichten aus dem Erzgebirge und aus seiner Jugend, von den Jugendgangs im Viertel und vom Großvater, dessen Münzen die Konzertgitarre schmücken.
Versteht sich von selbst, dass das Münzen sind, die noch aus sozialistischen Zeiten stammen, sowie der Opa auch. Und es gibt die Geschichte von Fanny Apfelbaum, einem Kind von armen Schnitzern aus dem Erzgebirge, der Totengräber wurde, weil es doch eine auskömmlichere Arbeit erschien als die Schnitzkunst.
Hisztory erzählt in seinem Lied, wie jeder gerne nach seinem Tod von Fanny schön gemacht wurde, weil er mit seinen Zauberhänden die Bettelleute in Könige verwandelte. Nach seinem Tod findet man in seinem Haus die ganze Stadtbevölkerung aus Holz geschnitzt, „die Hochmutigen hat er so gemacht, ganz ohne Glanz“, die Armen sind in seiner „Kellerstadt“ so schön, wie sie im wirklichen Leben gerne gewesen wären und wie sie es charakterlich waren.

Wer Hisztorys Lieder hört, kommt nicht so einfach davon. Ein gutes Lied ist für Hisztory wie ein Schlag in die Magengrube. Er greift niemals zu Plattitüden. Seine Antikriegslieder wehen einem die Grauen des Krieges oft nur in winzigen Details so um die Ohren, dass man wahrhaft spürt, was Krieg in all seiner Grausamkeit bedeutet. Was ist wichtiger in heutigen Zeiten? Für so manchen ist es, als würde sich die Welt für einen kleinen Moment in die richtige Richtung drehen anstatt immer in die falsche, während der Mann an der Münzen-Gitarre singt. Er singt in einem seiner Lieder davon, dass jemandes Herz eine Geschichte bitter braucht. Aber vielleicht braucht die Welt seine Lieder mit all ihren Geschichten jetzt gerade ganz besonders.

Ein besonderer Dank gilt dem Kanuverleihbetrieb „Treibholz“ mit seinen tapferen Unterstützern, Alphornbläsern, Bierbrauern, Fotografinnen, Schmalzbrotschmierinnen, Kissenschleppern und Floßfahrern.
Auf dem Floß gibt es sehr kleine aber feine Toiletten, deren Besuch unbedingt empfehlenswert ist.

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