Hallo Jörg,
» Ok, dann hier mal ein Experte:
» https://www.youtube.com/watch?v=nEPiOEkkWzg
» Und ein diesbezügliches Interview
» https://www.youtube.com/watch?v=gQFve4IGQUQ
Als jemand, der auch eine Menge mit Zahlenspielereien und Statistiken zu tun hat - ich wäre arg vorsichtig mit dem, was Herr Barz da vorlegt. Er begeht erstens mehrere methodische Fehler (das kann ich zu 100 % aus eigener Kraft beurteilen), zweitens läßt er außer Acht, daß er es nicht mit irgendeiner Lagerware zu tun hat, sondern mit Menschen, drittens fehlen ihm entweder einige medizinische Hintergründe oder er läßt sie außen vor, die bei der Bewertung der Zahlen durchaus eine Rolle spielen dürften.
Herr Barz ist auch von mehreren Stellen für seine Aufbereitung kritisiert worden. Auf einige Kritikpunkte hat er ebenfalls reagiert, aber bedauerlicherweise hat er sich bei seinen Antworten um einige entscheidende Punkte entweder vollständig herumgedrückt oder hat vor allem methodische Fehler nur an den Punkten eingestanden, die an dem Gesamtbild nichts ändern. Die eigene Datenquelle, nämlich das Statistische Bundesamt, hat ebenfalls seine Methodik kritisiert - eine diesbezügliche Reaktion des Erbsenzählers habe ich zumindest nicht wahrgenommen, stattdessen beruft er sich auf verschiedene Leute, die seine Rechenergebnisse bestätigen. Was im übrigen völlig in Ordnung ist - die Zahlenspielereien sind ja in sich selbst stimmig, aber bei daraus folgenden Interpretationen wäre ich extrem vorsichtig.
Zu Verdeutlichungszwecken unterstellt, hier liefe eine Straße entlang, auf der aus verkehrstechnischen Gründen pro Jahr 36 Personen zu Tode kommen, also drei pro Monat. Die Kommune schaut sich die Statistik vielleicht über drei, vier Jahre an, dann fängt sie vielleicht an, nach dem Warum zu fragen. Man stellt fest, daß der Straßenbelag ungünstig ist und sich bei Regen in Schmierseife verwandelt, und wenn man das nicht weiß, dann rappelt's eben. Die Kommune beschließt daraufhin, den Straßenbelag zu wechseln. Im Januar finden die Arbeiten statt; nun will's das Schicksal, daß während der Arbeiten im Januar der Strom in der Straße ausfällt und der Weg komplett im Dunkeln liegt. Ein unverhofft durchgezogenes Straßenrennen endet in einer Massenkarambolage und 36 Toten. Nach gehabter stiller Andacht wird die Straße mit einem neuen Belag freigegeben - und siehe da, bis zum Ende des Jahres ereignet sich dort kein Unfall mehr. Wie gehe ich also bezüglich der Statistik der Verkehrstoten vor bei der Untersuchung, ob meine Ausbesserungsarbeiten etwas gebracht haben? Ich untersuche die einzelnen Monate oder sogar Wochen und nicht den Jahresschnitt, denn der Jahresschnitt liegt ja immer noch bei drei Toten pro Monat durch die Menge an Toten im Januar, also haben die Arbeiten nichts bewirkt. Wenn ich allerdings die Monate oder sogar Wochen betrachte, dann sehe ich, daß meine Arbeiten augenscheinlich durchaus etwas gebracht haben, denn die Statistik der vergangenen elf Monate liegt bei null.
Herr Barz wischt während seines Videos und auch in Reaktionen auf Kritik eine solche detailliertere Aufstellung als unnötig (isses nicht) bis unmöglich (das isses schon eher, weil die Datenquelle eine solche Aufschlüsselung nur bedingt gestattet) beiseite.
Herr Barz deutet an mehreren Stellen auch an, daß das obige Phänomen eingetreten sein könnte, will aber keine Belege dafür finden. Ich glaube: er hat zumindest starke Indizien dafür gefunden, aber aus irgendwelchen Gründen kann oder will er sie nicht in seine Interpretation einbeziehen. Wenn er sich die Sterblichkeitsraten ansieht und sie in Relation setzt zu den übrigen vorhandenen Jahrgängen, kommt er zu dem Schluß, daß anno 2020 relativ wenig Menschen gestorben sind, vor allem in bestimmten Altersgruppen. Hatter Recht, aber er zieht keine Schlüsse daraus, daß das unter Umständen auf Lockdowns und Kontaktbeschränkungen zurückzuführen ist und somit viele Menschen deutlich weniger Risiken ausgesetzt waren, zu erkranken oder zu Tode zu kommen. Daß dieser Effekt die Auswirkungen der Pandemie ausgleicht, hält er zwar im Nebensatz für möglich, aber er geht diesem Gedankengang nicht weiter nach. Ungewöhnlich für einen Erbsenzähler, aber - sei's drum. Ebenso läßt er beispielsweise unter den Tisch fallen, daß es mitunter Jahre gab, in denen Krankheiten wie etwa die Grippe ziemlich üble Schneisen in der Bevölkerung hinterlassen haben - auch dieser Umstand wird bei der Interpretation der Zahlen übersprungen, obwohl hier abzulesen wäre, wie sich die Sterbefallzahlen entwickeln, wenn die Leute zwischen ungünstigen Krankheitserregern frei rumspringen können.
Herr Barz vergleicht in seiner Übersterblichkeits-Statistik die Zahlen einiger Länder miteinander, die aufgrund unterschiedlicher Maßnahmen und geographischer bzw. bevölkerungstechnischer Gegebenheiten nicht unbedingt miteinander verglichen werden sollten. Mag Zufall sein.
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