George Leitenberger - die neue CD Blackbox (Musik)
George Leitenberger - einer unserer internationalen Liedermacher, die bei Gundis Lieder in Europa mitmachen, hat eine neue CD herausgebracht.
Blackbox. Unglaublich. Abends kann ich kaum mehr reden. Ich habe meine Kraft verbraucht, für panische Mädchen, wütende Jungs und vor allem ihre Eltern. Für den Vater, der seine seine Machtgelüste auslebt. Für die Mutter, die ihre zwei winzigen Jungs alleinlässt. Für die Kollegen, die ihre Seele verkaufen, um ganz an die Spitze zu kommen. Wenn ich von meiner Arbeit erzähle, würde überall die Stimmung auf minus 40 Grad sinken, da reichen drei Minuten, und es ist eiskalt.
Dann diese Wahl in diesem Land, das mir so fremd ist, diese Wahl, bei der der totale Krieg erklärt wird. Einer der Söhne erschreckt in der Stadt, in der ein Lehrer enthauptet wird. Der Mensch, der an unseren Autos die Radmuttern lockert, so dass ich im Dunkeln um mein Auto humpele, um die Räder zu kontrollieren, wenn ich abends von der Arbeit nach Hause fahre. Der BMW-Fahrer, der dicht an dicht hinter mir durch das Dorf fährt, weil er sich ärgert, dass ich auf 50 runterschalte, er weiß nicht, dass meine Patentochter an einer Ampel starb, als sie erst 11 Jahre alt war.
Und endlich eine CD eingelegt. Endlich Zeit für das Päckchen aus Genf. Schon bei den ersten Liedzeilen merke ich: Hier bin ich zu Hause. Ich denke, was für ein Zauberer doch der Gerhard Gundermann war, dass er uns alle mit seiner Poesie zusammengeführt hat, was für ein Zauberer der Johan Meijer, der uns alle zusammengetrommelt hat, was für ein Zauberer der George Leitenberger, der heute so singt, dass ich aufatmen, von einem langen merkwürdigen Tag heilen kann – und er hat Fragen, die ich so brauche wie morgens den Kaffee zum Aufwachen. Georges Lieder sind Lebensmittel geworden.
Eine Blackbox ist es. Was für ein kluger Titel. „Wie geht man mit Verrat um?“ – „Wie mit Verlust?“ – „Wie vermeidet man Verbitterung?“ – „Und kann Vergebung Rache sein?“ Es sind kluge Fragen, die mir im Privaten und in der großen weiten Welt so wichtig sind. Wie werde ich damit fertig, wenn mich Menschen enttäuschen, wo ist mein Platz? Wie bleibe ich trotzdem lebendig? Wie meine Arbeit trotzdem hilfreich? Wie bleibe ich fair und korrekt?
Bin oft enttäuscht, viel zu oft flackere ich, aber wenn ich die Lieder von George höre, kann ich wieder ruhig ein wenig Licht spenden für die Kinder, die bislang keines bekommen haben. Die Fragen, die er stellt, die habe ich auch. Damit bin ich mit denen schon mal viel weniger allein. Die Lebensgeister kommen zurück, das freut den Liebsten ungemein. Was ist der George für ein Poet, ein Lebensaufrüttler, ein Lebendigmacher, ein Energiebündel mitten in einer völlig verrückten Welt. Und wir denken, die Künstler sind nicht systemrelevant?
Eine Blackbox. Nach der Katastrophe hilft sie entschlüsseln, wie es dazu kam. Liedermacher wie George oder Gundi oder Manfred Maurenbrecher schreiben sie – und vielleicht wird sie später mal jemand öffnen, dann später mal jemand rekonstruieren, was wir verpasst haben. Peggy Luck, kluge Lieblingsliedermacherin aus Leipzig, hat neulich gefragt, ob wir Lieder über den Klimawandel kennen - für ihre Sammlung, die eher langsam in Fahrt kam, wäre hier einiges dabei, das so ganz und gar nicht plakativ ist, das direkt ins Herz trifft. „Maschinen stopp! Statt Volldampf weiter – Richtung Riff“ … „wer schützt uns vor uns und uns vor unserer Gier?“
Ein Lied von „Blackbox“ ist schon vor Erscheinen der CD gleich in eine andere europäische Sprache übersetzt worden. George hat zu Beginn der Pandemie Worte für unser Erschrecken, für diese neue seltsame Art zu leben gefunden, die so poetisch sind und so ins Schwarze treffen. Er war unser Chronist, als ich kaum Worte hatte für das, was passierte. Das war ein kleines Wunder, und das werde ich ihm nie vergessen, ein Vollblutpoet. Er schreibt von den schwarzen Schwänen und von der alten Zukunft, die keine Zukunft mehr hat, von Corona, das uns aufwecken müsste, „statt hab und Gier endlich Verzicht“. Und mitten in der CD das Bild von einem brennenden Schiff alleine mitten auf See.
Und der Sound? – Großartig, zum Schwelgen, Tanzen, Mitsummen, Mitsingen. Danke nicht nur an George, sondern auch an Andreas, Clarissa, Klaus, Roddy, Tobias und Nora, ein tolles Team. Und an Jack, Hauptperson in einem wunderbar fröhlichen Lied - den ich mal getröstet habe, bald ist George vom Tagebau wieder da, bald ist er zurück …
Und jetzt ist George zurück, für uns alle da, mit dieser Blackbox! Ich möchte sie am liebsten an alle Politiker versenden, an alle, die was zu sagen haben, … aber ich steige in die MS Esperanza und hoffe, dass sie nicht ein Totenschiff wie aus Travens Roman ist.
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- George Leitenberger - die neue CD Blackbox - Christine, 07.11.2020, 16:07