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50 Jahre Festival des politischen Liedes (Musik)

verfasst von Beate(R), 06.04.2020, 08:21

Rote Lieder – 50 Jahre Festival des politischen Lieds
„Wir sind überall auf der Erde …“

Teil I
Vom 15. bis 21. Februar 1970 fand in der
DDR-Hauptstadt das 1. Festival des politischen Liedes statt. Die Zeit ist gerannt
wie toll! Vorerst leider in die Irre, schaut
man auf die globalen Miseren der Gegenwart und erinnert sich dabei an die hoffnungsvollen Weltläufe zu Festivalzeiten.
Bei Abruf sind sie noch immer parat: die
gestochenen Bilder von der zwei Jahrzehnte währenden Festivaltradition. Trifft man
heute auf Leute, die vor, auf oder
hinter der Bühne beteiligt waren, so sprechen sie von einem
Stück nie verlorener guter Lebenszeit. Die Geschichte dieses
Festivals steht eindrucksvoll
in den kulturellen Annalen der
DDR. Einerseits, weil das Berliner Treffen bald schon als wichtiges, manche meinten: das wichtigste Podium der progressiven
Musikwelt wahrgenommen wurde. Es führte Lieder und andere
Musikschöpfungen, welche die
internationalen Entwicklungen
mit ihrem damals unverkennbar
linken Richtungssinn begleiteten, auf kommunikative Weise
vor einem großen, engagierten
Publikum zusammen. Zugleich
war es auch der Premierenanlaß für viele Lieder der Singebewegung, die manchmal bis heute nachklingen. Nicht zuletzt
die Ohrwürmer des neben der
FDJ mitveranstaltenden Oktoberklubs, der jedes Jahr auf ein
neues, aktuelles Programm hinarbeitete. Die Ideenwelt des Festivals schärfte bei Mitgestaltern
wie Besuchern neben ästhetischen Maßstäben das Bewußtsein aufrechter Solidarität
und politischer Verbundenheit mit den um
ihre nationale und soziale Freiheit kämpfenden Völkern. Das war lebensprägend für
uns alle. Es gab eine große Sehnsucht, sich
in der Weite dieses linken Einverständnisses aufgehoben zu fühlen.
Aus Geburtstagsfeiern wurde
ein Festival
Zu keiner Zeit war der Oktoberklub dem
Feiern abgeneigt. Wenn er Geburtstag hatte, lud er sich Lieder-Gäste ein. Anfangs
war deren Zahl klein und kam von gleich
nebenan. Zu „2 Jahre Oktoberklub“ standen die Budapester „Gerilla“-Formation
und Thomas Natschinski mit seiner Gruppe als Gratulanten auf der Bühne. Ein Jahr
später schauten Gäste aus Polen, Ungarn,
Spanien und Westdeutschland vorbei. In
den Endsechzigern stellte sich der Oktoberklub erstmals Zukunftsfragen. Die schnell
gewachsene Popularität ließ Befürchtungen auf kommen, man könnte inhaltlich
wie organisatorisch stagnieren. Ein Ruck
sollte her, und so entstand die Idee, im Veranstaltungskalender der DDR einen neuen inhaltlichen Punkt zu setzen: ein alljährliches internationales Festival des politischen Liedes. Dessen Organisation würde
zweifellos auch dem Zusammenhalt des
Klubs guttun. Die künftigen Dimensionen
dieser „Ruck-Idee“ waren allerdings nicht
zu erahnen.
Nach einem denkwürdigen Anlaß für den
Auftakt mußte man 1970 nicht lange suchen. Lenin wurde 100. Da war „Vorwärtsdie Zeit!“ – dem „Zeit-Marsch“ von Majakowski und Eisler entnommen – eine passende
Parole. Ich erinnere mich, wie uns die italienische Gruppe „II Contemporaneo“ das
Gewerkschaftslied „La Lega“ ins Ohr setzte,
das wegen seines musikalischen Drives bald
mehrsprachig nachgesungen wurde. Oder
wie Gisela May nach Programmen von Andert, Demmler und mir meinte, die Singebewegung habe ihre politische Aktualität und
Verständlichkeit bei den „Großen“ gelernt,
mit denen sie Tucholsky, Brecht und Eisler
meinte. Das war viel Lorbeer für den Anfang, aber die große Interpretin, die auch
Pädagogin war, kannte die Kraft von Ermutigungen.
Das Festival setzte auf Haltungen hinter
den Tönen. Wo es an artifizieller Brillanz
fehlte, konnten Entstehungsgeschichte und
Authentizität der politischen oder sozialen
Botschaft ein Lied durchaus zum Leuchten bringen. Doch erlebten wir schon zum
2. Festival bei den Auftritten von „Quilapayun“, Isabel Parra oder der finnischen
Gruppe Agit-Prop um Kaj Chydenius – und
später bei vielen Künstlern mehr –, daß gerade die Symbiose von Haltung und künstlerischer Gestaltungskraft jene populären Wirkungen erzeugt, die Songs den Weg ins
Langzeitgedächtnis ebnen.

 

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