Gerhard Gundermann trifft: (Gundermann)
Chris Hadfield
Die Nacht lag weich über der Welt, und der Himmel war still, wie eine gespannte Saite zwischen zwei Händen. Unter ihnen rotierte die Erde, ein flimmerndes Mosaik aus Licht und Dunkel. Und dort, in dieser Stille zwischen zwei Atemzügen, saßen Gundi und Chris auf einer Bank aus Nichts, und sprachen über alles, was zählt.
Weißt du, da unten, wo ich gearbeitet hab – da zählte kein Gerede. Da zählte, ob du stehenbleibst, wenn alles wackelt. Ob du einen anderen hältst, wenn’s kracht. Die Wahrheit liegt im Staub, in der Schicht, im Braunkohlegeruch deiner Hände.
Chris schaute hinunter zur Erde. Ich hab die Welt von oben gesehen. Du hast sie von innen gespürt. Und was du sagst – das trägt.
Gundi fuhr leise fort: Ich war Baggerführer im Braunkohletagebau. Drei Schichten, Tag, Nacht, Sonne, Regen, Sternenhimmel. Der Bagger – der musste mit Gefühl bewegt werden. Dann war er effektiv. Der hatte seine Macken. Es war nicht ungefährlich. Vielleicht ist der Bagger wie der Mensch – du musst ihn kennen, ihn achten, dann gibt er dir Energie. Für Wärme. Für Licht.
Chris lächelte: Und in all dem hast du deine Lieder gefunden?
Ja, sagte Gundi. Oben auf dem Bagger sind mir die Gedanken gekommen. Ich hab sie ins Diktiergerät gesprochen. Die Probleme – die wurden zu Liedern. Und die Lieder wurden zu Erkenntnissen. Und manchmal sogar zu Lösungen. Ich hab auch gesehen, was mein Bagger angerichtet hat mit der Umwelt. Das ließ mich nicht los. Aber ich hab weitergedacht.
Chris nickte. Viele hören deine Lieder. Manche verstehen sie nicht. Vielleicht weil sie das Fundament nicht kennen.
Weil sie nie mit den Händen gearbeitet haben, sagte Gundi leise. Weil ihre Welt anders war. Akademisch, durchdacht, präzise – aber oft fern vom Schweiß. Ich werf ihnen das nicht vor. Ich wünsch mir nur, dass sie ihre Herzen aufmachen. Denn im Lied steckt die Erde. Und im Lied steckt die Liebe.
Chris schaute Gundi still an. Ich glaube, dein Gott war dir nah.
Er war es, sagte Gundi. Ich hatte eine dieser Nächte, da konnte ich nicht schlafen. Die Engel kamen durchs Fenster, hoben mich hoch, und brachten mich zu einem alten Mann mit Arbeitshandschuhen. Er sagte: Ich habe dich holen lassen, weil du im Bergbau arbeitest, Mann – und weil du Lieder machst. Und dann zeigte er mir Europa unter einer riesigen Käseglocke.
Chris runzelte die Stirn. Was meinte er damit?
Er sagte: Ich wollte sehen, was ihr macht, wenn ihr keine Ausreden mehr habt. Kein Krieg. Kein Sturm. Nur ihr selbst. Und was wir gemacht haben, war nicht viel. Irgendwann gab er mir seine Arbeitshandschuhe. Und sagte: Behalte sie. Einer steht für die Liebe. Einer für die Wahrheit. Und er schaute mich an und sagte: Zieh sie in der richtigen Reihenfolge an. Erst die Liebe. Dann die Wahrheit.
Chris sah hinüber zu Gundi. Wie die zwei Bäume im Paradies.
Genau, sagte Gundi. Erst die Frucht des Lebens. Dann die Erkenntnis. Sonst wird die Wahrheit zur Waffe. Kalt. Hart. Trennend.
Chris lächelte leise. Und du hast mit deinen Liedern versucht, das umzudrehen. Aus der Arbeit – die Wahrheit. Aus dem Lied – die Liebe.
Ich bin kein Lehrer, sagte Gundi. Ich bin nur einer, der fühlt. Einer von den ‘Unwissenden’. Die, die zuerst lieben und dann verstehen. Nicht wie die ‘Wissenden’, die alles zerteilen. In richtig und falsch. In oben und unten. Aber denen fehlt manchmal das Herz.
Chris nickte. Und trotzdem brauchen wir beide. Die, die denken. Und die, die fühlen. Aber das Fühlen muss zuerst kommen.
Deshalb will ich keinen Rock gegen rechts, sagte Gundi. Ich will Rock für die Rechten. Für die Linken. Für alle. Weil sie alle Mensch sind. Keiner ist ein streunender Hund. Auch wenn sie mich nicht verstehen. Auch wenn sie mich ankläffen. Ich weiß, sie sind wie ich. Durstiges Land.
Chris nahm seine Gitarre. Der Klang war weich wie Atem. Wie Licht.
Willst du mit mir abheben? fragte er. Willst du unser gemeinsames Zuhause von oben sehen – mit dem Herzen statt mit dem Urteil? Dann klick hier:
https://youtu.be/KaOC9danxNo?si=JB1wKGZNqevNO8ie
Gundi lächelte still. Danke, Chris. Es ist wunderbar mit dir abzuheben. Wir sind jetzt zwei doppelte Spitzen, wie zwei Dimensionen: Chris und Gundi, Bowie und Springsteen, Himmel und Erde. Ich muss jetzt nicht mehr suchen. Mein Nächster ist mein Bruder. Und meine Schwester. Auch wenn sie mich nicht immer verstehen – sie sind keine streunenden Hunde. Sie sind wie ich. Durstiges Land.
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In jedem Gedanken, in jedem Wort und jeder Tat verbirgt sich im Kern die Dualität des Lebens und des Todes. Ich suche das Leben.
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