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14.04.2024, 18:17
 

Gerhard Gundermann trifft: (Gundermann)

Otze

Dieter Ehrlich, genannt Otze, geboren 1964 in Stotternheim bei Erfurt, wo Martin Luther der Legende nach beinahe vom Blitz getroffen wurde.
Gestorben 2005 in der geschlossenen Psychiatrie in Mühlhausen. Gründer der Punkband Schleimkeim.

Otze genießt heute, ähnlich wie Gerhard Gundermann, bei seinen Fans Kultstatus. Viele haben ihn aber nie live gesehen. Es gibt interessante Gemeinsamkeiten zwischen den beiden sehr unterschiedlichen Männern.

Ihre Geburtsorte liegen rund 30 Kilometer auseinander. Beide waren sehr eigenwillige Menschen, Musiker, Dichter und (Vor-)Denker. Beide haben ein Werk hinterlassen, das die Menschen in Ost und West bis heute fasziniert. Beide haben, bevor der Mainstream die Revolution schluckte, an den Grundfesten der DDR gerüttelt,
wenn auch an ganz unterschiedlichen Stellen. Beide füllten MfS-Akten. Beide starben mit Anfang 40.

Über Schleimkeim und Otze hat der Schwabe Jan Heck einen Film gedreht, der derzeit in kleineren Kinos läuft:

Schleimkeim - Otze und die DDR von unten.

Ob die beiden sich kannten oder vielleicht sogar getroffen haben, weiß ich nicht. Mal sehen, ob es wirklich eine künstliche Intelligenz gibt, vielleicht kommt es ja posthum zu einer Begegnung.

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In jedem Gedanken, in jedem Wort und jeder Tat verbirgt sich im Kern die Dualität des Lebens und des Todes. Ich suche das Leben.

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18.05.2024, 23:12

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Gerhard Gundermann trifft:

Erich und Margot

Der Geist von Weimar generiert den 25. August 1989.

Es ist Freitag, aus dem bedeckten Himmel über Weimar fallen ein paar Tropfen.
Im Elephantenkeller steht Oberkellner Siggi im Office. Er zündet sich eine f6 an und nimmt einen großen Schluck von seinem frisch gezapften Radeberger. Es ist ein komischer Tag, denkt er sich. Um 14:30 Uhr ist das Mittagsgeschäft vorbei, im Gastraum sitzen einige Menschen, die sich von den anderen Gästen unterscheiden. Am auffälligsten sind zwei junge Männer direkt am Tisch neben der Officetür. Der eine sieht aus wie ein Punk. Er ist groß, kräftig, hat dunkle Haare und wirkt rau. Der zweite Mann an diesem Tisch trägt Jeans, ein Fleischerhemd, hat dünnes blondes Haar und eine große Brille im Gesicht. Er ist kleiner und schmaler als sein Gegenüber. Die beiden Männer sitzen seit Stunden da und unterhalten sich, sie scheinen alles um sich herum völlig ausgeblendet zu haben. Der eine heißt Dieter Ehrlich, genannt Otze und der andere heißt Gerhard Gundermann, genannt Gundi.
Siggi weiß nicht so recht, was er von den beiden halten soll. Er denkt, die passen überhaupt nicht zusammen, um dann festzustellen, dass sie vielleicht gerade deshalb gut zusammenpassen. Normal sind sie jedenfalls nicht. Der eine hat schon das zehnte Radeberger geleert, der andere ist beim dritten Fliedertee angekommen.

Plötzlich wird es unruhig im Lokal. Ein älteres Paar tritt ein, begleitet von drei Männern. Otze und Gundi bemerken die Unruhe und starren zum Eingang. Sie sehen etwas, das sie beide erregt. Erich und Margot Honecker stehen im Lokal. Sie gehen mit ihren Begleitern in einen abgetrennten Bereich und nehmen dort Platz. Otze ruft den Oberkellner und verlangt von ihm in einen scharfen Ton einen großen Notizblock und einen Stift. Er fragt Gundi: Globste ooch was ich globe? Gundi antwortet: ну погоди! Genau, antwortet Otze.

Zuerst schreibt Otze etwas auf den Block, reißt die Seite ab und faltet sie. Er gibt Gundi den Block. Gundi schreibt auch eine Seite und faltet sie ebenfalls. Beide stehen auf und gehen zu den Honeckers. Otze gibt Erich seinen Zettel mit den Worten: Hier Honi, der ist für dich! Gundi gibt Margot seinen Zettel und sagt zu ihr: Sie sind Kommunistin und ich bin Kommunist. Genossin, wer Kommunist sein will, sollte zuerst beten lernen. Dann verlassen die beiden den Elephantenkeller.

Erich entfaltet den Zettel von Otze, auf dem steht: Ich habe heute diesen Kunden getroffen. Er hat es irgendwie geschafft, eine Tür in mir zu öffnen und mir einen Raum dahinter zu zeigen, den ich bisher nicht kannte. Das hat mein heißes Blut gekühlt. Als ich euch hereinkommen sah, ist die Tür in mir zugeflogen und mein Blut begann wieder zu kochen. ER-ich, auch du bist ein Abbild Gottes, trotzdem haue ich jetzt ab, weil ich deinen Anblick nicht ertragen kann. Dafür bezahlst du jetzt meine Zeche!

Margot öffnet den Zettel, den sie von Gundi bekommen hat und beginnt zu lesen.
Werte Margot, ich erinnere mich an die Zukunft. Die Sieger schreiben die Geschichte, sie werden dir Hörner in den Kopf schrauben, Auge um Auge, Zahn um Zahn! Ich versuche es mal mit Liebe und Wahrheit.

Margot

Sie wurde 1927 geboren,
Frau Feist war eine intelligente Frau,
sie hatte sich dem Kommunismus verschworen,
sie machte viele Kinder schlau.

Am 8. Mai da wurde Frieden,
nach 12 Jahren Dunkelheit,
4 Jahre später war geschieden,
das Vaterland, es war entzweit.

Margot und Erich, sie waren bereit,
dem Mutterland zu dienen,
sie waren zu zweit,
auf der Weltbühne erschienen.

Pestalozzi und die Zehn Gebote,
hat Frau Honecker studiert,
ein Volk wollte sie bilden,
damit es sich nie mehr verirrt.

Im Herbst 1989 kam die Wende,
fast 3 Jahrzehnte war sie Ministerin,
die Volksgebildeten forderten ihr Ende,
sie hatten anderes im Sinn.

Margot und Erich, vom Volk geächtet,
mussten nach Chile fliehen,
die Volksbildung wurde vernichtet,
die Folgen können wir heute sehen.

Der deutsche Michel wird mal begreifen,
es ist das Dümmste was geschah,
die Volksbildung abzustreifen,
1990 im Beitrittsjahr.

Nach kurzem Schweigen fragt Erich Margot: Was ist nur los in unserem Land? Margot reicht Erich ihren Zettel und sagt: ich glaube unser Ausflug nach Weimar hat sich gelohnt.

Gesegnete Pfingsten!

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In jedem Gedanken, in jedem Wort und jeder Tat verbirgt sich im Kern die Dualität des Lebens und des Todes. Ich suche das Leben.

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16.05.2025, 22:27

@ GUNDERMANNFAN

Gerhard Gundermann trifft:

Chris Hadfield

Die Nacht lag weich über der Welt, und der Himmel war still, wie eine gespannte Saite zwischen zwei Händen. Unter ihnen rotierte die Erde, ein flimmerndes Mosaik aus Licht und Dunkel. Und dort, in dieser Stille zwischen zwei Atemzügen, saßen Gundi und Chris auf einer Bank aus Nichts, und sprachen über alles, was zählt.

Weißt du, da unten, wo ich gearbeitet hab – da zählte kein Gerede. Da zählte, ob du stehenbleibst, wenn alles wackelt. Ob du einen anderen hältst, wenn’s kracht. Die Wahrheit liegt im Staub, in der Schicht, im Braunkohlegeruch deiner Hände.

Chris schaute hinunter zur Erde. Ich hab die Welt von oben gesehen. Du hast sie von innen gespürt. Und was du sagst – das trägt.

Gundi fuhr leise fort: Ich war Baggerführer im Braunkohletagebau. Drei Schichten, Tag, Nacht, Sonne, Regen, Sternenhimmel. Der Bagger – der musste mit Gefühl bewegt werden. Dann war er effektiv. Der hatte seine Macken. Es war nicht ungefährlich. Vielleicht ist der Bagger wie der Mensch – du musst ihn kennen, ihn achten, dann gibt er dir Energie. Für Wärme. Für Licht.

Chris lächelte: Und in all dem hast du deine Lieder gefunden?

Ja, sagte Gundi. Oben auf dem Bagger sind mir die Gedanken gekommen. Ich hab sie ins Diktiergerät gesprochen. Die Probleme – die wurden zu Liedern. Und die Lieder wurden zu Erkenntnissen. Und manchmal sogar zu Lösungen. Ich hab auch gesehen, was mein Bagger angerichtet hat mit der Umwelt. Das ließ mich nicht los. Aber ich hab weitergedacht.

Chris nickte. Viele hören deine Lieder. Manche verstehen sie nicht. Vielleicht weil sie das Fundament nicht kennen.

Weil sie nie mit den Händen gearbeitet haben, sagte Gundi leise. Weil ihre Welt anders war. Akademisch, durchdacht, präzise – aber oft fern vom Schweiß. Ich werf ihnen das nicht vor. Ich wünsch mir nur, dass sie ihre Herzen aufmachen. Denn im Lied steckt die Erde. Und im Lied steckt die Liebe.

Chris schaute Gundi still an. Ich glaube, dein Gott war dir nah.

Er war es, sagte Gundi. Ich hatte eine dieser Nächte, da konnte ich nicht schlafen. Die Engel kamen durchs Fenster, hoben mich hoch, und brachten mich zu einem alten Mann mit Arbeitshandschuhen. Er sagte: Ich habe dich holen lassen, weil du im Bergbau arbeitest, Mann – und weil du Lieder machst. Und dann zeigte er mir Europa unter einer riesigen Käseglocke.

Chris runzelte die Stirn. Was meinte er damit?

Er sagte: Ich wollte sehen, was ihr macht, wenn ihr keine Ausreden mehr habt. Kein Krieg. Kein Sturm. Nur ihr selbst. Und was wir gemacht haben, war nicht viel. Irgendwann gab er mir seine Arbeitshandschuhe. Und sagte: Behalte sie. Einer steht für die Liebe. Einer für die Wahrheit. Und er schaute mich an und sagte: Zieh sie in der richtigen Reihenfolge an. Erst die Liebe. Dann die Wahrheit.

Chris sah hinüber zu Gundi. Wie die zwei Bäume im Paradies.

Genau, sagte Gundi. Erst die Frucht des Lebens. Dann die Erkenntnis. Sonst wird die Wahrheit zur Waffe. Kalt. Hart. Trennend.

Chris lächelte leise. Und du hast mit deinen Liedern versucht, das umzudrehen. Aus der Arbeit – die Wahrheit. Aus dem Lied – die Liebe.

Ich bin kein Lehrer, sagte Gundi. Ich bin nur einer, der fühlt. Einer von den ‘Unwissenden’. Die, die zuerst lieben und dann verstehen. Nicht wie die ‘Wissenden’, die alles zerteilen. In richtig und falsch. In oben und unten. Aber denen fehlt manchmal das Herz.

Chris nickte. Und trotzdem brauchen wir beide. Die, die denken. Und die, die fühlen. Aber das Fühlen muss zuerst kommen.

Deshalb will ich keinen Rock gegen rechts, sagte Gundi. Ich will Rock für die Rechten. Für die Linken. Für alle. Weil sie alle Mensch sind. Keiner ist ein streunender Hund. Auch wenn sie mich nicht verstehen. Auch wenn sie mich ankläffen. Ich weiß, sie sind wie ich. Durstiges Land.

Chris nahm seine Gitarre. Der Klang war weich wie Atem. Wie Licht.

Willst du mit mir abheben? fragte er. Willst du unser gemeinsames Zuhause von oben sehen – mit dem Herzen statt mit dem Urteil? Dann klick hier:

https://youtu.be/KaOC9danxNo?si=JB1wKGZNqevNO8ie

Gundi lächelte still. Danke, Chris. Es ist wunderbar mit dir abzuheben. Wir sind jetzt zwei doppelte Spitzen, wie zwei Dimensionen: Chris und Gundi, Bowie und Springsteen, Himmel und Erde. Ich muss jetzt nicht mehr suchen. Mein Nächster ist mein Bruder. Und meine Schwester. Auch wenn sie mich nicht immer verstehen – sie sind keine streunenden Hunde. Sie sind wie ich. Durstiges Land.

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In jedem Gedanken, in jedem Wort und jeder Tat verbirgt sich im Kern die Dualität des Lebens und des Todes. Ich suche das Leben.

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