Beate
18.12.2021, 09:52 |
50 Jahre erste deutsche Rockoper "Profitgeier" (Musik) |
Weltweit wurden die ersten Rockopern auf Alben mit durchgehender Handlung und Songs mit Text-Monologen und -Dialogen durch die Rockbands The Pretty Things 1968 ("S. F. Sorrow") und 1969 The Kinks "Arthur (Or the Decline and Fall of the British Empire)") und The Who ("Tommy") veröffentlicht, nachdem bereits 1967 das Flower-Power-Album "Hair" auf den Markt kam.
Die erste deutsche Rockoper "Profitgeier" erschien vor genau 50 Jahren im deutschsprachigen Raum von der Rockband Floh de Cologne.
Aufgenommen wurde sie live am 11.1.1971 in Neumünster und am 12. sowie 13.1.1971 im Windrose-Dumont Studio, Hamburg.
Alle Ausgaben der LP "Profitgeier" der Plattenfirma Ohr waren mit einem neuartigen Cover mit drehbaren herausziehbaren Innenteil, einer ausklappbaren Lyric-Einlage, wobei die Schallplatte auf verschiedene Vinylfarben gepresst wurde, am häufigsten tiefrot, pink und schwarz, plus einige Variationen.
Diese Original-Erstpressung wird heute zu hohen Preisen gehandelt.
Sie gilt als großer Meilenstein des Genres Krautrock, Politrock bzw. Progressive Rock.
Bundesweit berühmt wurde die Band durch einen Beitrag im Rahmen der legendären Kultsendung "Beat-Club".
Floh de Cologne, die von 1966 bis 1983 bestanden, traten auch in der DDR auf.
Der Text des Titelsongs "Profitgeier" ist heute nach 50 Jahren noch genauso aktuell wie damals im Jahr 1971:
"Wer hat denn damals nach dem Krieg die Karre aus dem Dreck ziehen lassen?
Ich!
Wer hat denn damals ganz von vorne anfangen lassen?
Ich!
Wer hat denn damals aus dem Nichts mit Eurer Hände Arbeit diese Fabrik aufbauen lassen?
Ich!
Wer hat denn damals selbst mit anpacken lassen?
Ich! Ich! Ich! Ich!"
"Der Unternehmer heißt Unternehmer, weil er etwas unternimmt
Der Arbeiter heißt Arbeiter, weil er arbeitet
Würden die Arbeiter was unternehmen, müssten die Unternehmer arbeiten"
Die Profitgeier sind Geier, die nicht von Aas leben
Sondern von den gesellschaftlichen Produkten
Die sie von anderen herstellen lassen
Die Profitgeier hocken in allen Betrieben
Sie hocken in den Justizpalästen und im Bundestag
Sie hocken in den Banken und Industrieclubs
Sie machen aus menschlicher Kraft Kaufkraft
Aus Bewusstsein Markenbewusstsein
Aus menschlicher Schwäche schlagen sie Kapital
Aus dem Geltungstrieb machen sie Geltungssucht
Aus der Lust am Leben machen sie Lust am Kaufen
Die Liebe verkaufen sie als Intimspray
Die Solidarität wird zu Neid und Missgunst
Aus menschlicher Wärme zeugen sie eisige Kälte und Misstrauen
Aus dem Menschen kondensieren sie eine Büchse voller Komplexe
Aus der Arbeitskraft machen sie eine Ware
Und die Geschäftemacher, die Profitgeier
Hocken auf ihren Geldbergen und warten auf ein neues Opfer
Dann stürzen sie sich auf ihn
Und höhlen mit ihren gierigen Krallen seine Persönlichkeit aus
Sie reißen seine Gefühle heraus und zerfleddern seinen Charakter.
Was übrig bleibt ist nichts als ein Haufen Fleisch und Knochen
Der mit der Mode geht
Ein Haufen Fleisch und Knochen
Der arbeitet und kauft
Ein Haufen Fleisch und Knochen
Der top ist
Und von Autos und großer Liebe träumt
Kalt, leer und voller Angst
Und die Menschen frieren und merken, dass sie betrogen werden
Und sie sehen die Profitgeier
Die verführerisch mit ihren Geldscheinen winken
Und mancher möchte sein wie diese
Genauso gierig und reich und voller Hass
Und die Menschen sehen nicht, dass die Profitgeier Angst haben vor ihnen
Weil sie schwach sind, weil sie nur wenige sind, die die Mehrheit ausplündern
Und die Profitgeier versuchen deshalb, der Mehrheit Angst zu machen
Vor einem Gespenst
Und sie sagen: "Ein Gespenst geht um"
"Das Gespenst heißt Kommunismus"
"Und das frisst Euch alle auf"
"Und macht Euch zu Sklaven"
Sagen sie zu ihren Sklaven
Und sie haben Angst
Weil sie nur wenige sind, die die Mehrheit ausplündern
Und die Profitgeier wissen, dass ihre Tage gezählt sind
Sie wissen, dass eines Tages die Mehrheit über sie herfallen wird
Und sie rupfen wird wie ein Huhn
Wie ein nacktes Brathähnchen werden sie dann dastehen und um Gnade winseln
Und man wird ihnen einen Tritt in den Arsch geben
Dass sie noch ein letztes Mal fliegen können
Werdet doch mal rot vor Wut
Rot ist die Farbe der Liebe
Rot ist die Farbe der Hoffnung
Rot ist die Farbe der Zukunft
Lieber rot als doof
Das gesamte Album ist hier vollständig zu hören:
http://www.youtube.com/watch?v=nuh6jEDEpXw |
Sarah
18.12.2021, 16:26
@ Beate
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50 Jahre erste deutsche Rockoper "Profitgeier" |
"Es klang immer ein bißchen furchterregend, wie die Kritik über »Floh de Cologne« schrieb: die »berühmt-berüchtigte, härteste deutsche Rockband«, die auch noch ständig »zielsicher Zeiterscheinungen« erfasse. Doch über der Kritik, die die fünf Kölner Musiker übten, geriet bei der Kritik allzuoft in Vergessenheit, daß die Truppe nach den Anfängen als Studenten-Kabarett zu Apo-Zeiten und noch vor Udo Lindenberg beharrlich einen eigenen und soliden Deutschrock entwickelte - mit der Rock-Oper »Profitgeier« (1970), dem Arbeitslosenstück »Tilt« (1975), zuletzt mit dem Programm »Koslowsky« (1979) um einen Ruhrmenschen, den das Schicksal nach Bayern und doch wieder in den Klassenkampf verschlägt..."
Quelle: "Der Spiegel" 16/1983 vom 17.04.1983 |
Christine
18.12.2021, 18:13
@ Beate
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50 Jahre erste deutsche Rockoper "Profitgeier" |
Floh de Cologne war eine Band, die meine Eltern hörten...als kleines Mädchen mochte ich auch Hair, ich habe mir immer sehr lange das Album-Cover angeschaut und die Musik auch gerne gehört. Worum es ging, blieb mir damals verschlossen.
Ich denke, beides sind gute Gründe, dass ich heute so ein großer Fan der Brigade Feuerstein bin! Wenn ich die höre, habe ich sofort dermaßen gute Laune! |
Pfeffi
18.12.2021, 21:55
@ Beate
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50 Jahre erste deutsche Rockoper "Profitgeier" |
Ich gehöre zu jenen, die Floh de Cologne noch live gesehen haben, und zwar beim Festival des Politischen Liedes in (Ost-)Berlin. Ich war damals in der Redaktion der Festivalzeitung. Habe auch noch einige LPs der Band. Gut, wir hatten in der DDR damals andere Probleme als das was die Flöhe in ihren Stücken über den Kapitalismus sangen, aber wir verstanden schon, dass der Westen nicht das Schlaraffenland ist, welches viele DDR-Bürger wahrnahmen. Und natürlich war die Musik der Flöhe stark. Wir hatten auch Gelegenheit, uns mit Mitgliedern der Flöhe in der HdjT-Kneipe (dem Song-Klub) zu unterhalten. |