Es war lange nach Mitternacht. Ich stand auf dem Marktplatz vor der Kulturfabrik Hoyerswerda, da kam mir eine junge Frau entgegen, auf dem Rücken eine gut verpackte Gitarre. Es war stockdunkel, nur noch ganz wenige Lichter leuchteten am Platz. Selbst in der Kulturfabrik sangen nur noch wenige, sie sangen Lieder von Wacholder, Gundermann und Wenzel…Die schöne junge Frau mit den langen Haaren trug ein merkwürdiges Utensil in der linken Hand. Es leuchtete hell in der Dunkelheit, ein kunstvoll gestaltetes großes Tier mit langen Beinen…Die junge Frau heißt Franziska Günther und hatte gerade mit ihren kraftvollen Liedern den renommierten Lausitzer Liederwettbewerb gewonnen. Ihre Hoyschrecke trug sie glücklich durch die Nacht…
Sie war nicht die einzige Gewinnerin – denn nach guter Tradition gibt es einen Jury- und einen Publikumspreis. Während Franziska Günther von der Jury, bestehend aus Liedermachern und Liedermacher-Fachleuten gekürt wurde, wählte das Publikum die Profis aus Österreich, den Schauspieler Georg Clementi und sein talentiertes Trio mit ihrer eindrucksvollen Darbietung. Wie immer war die Wahl nicht leicht, auch für das Publikum nicht. Das Niveau war wieder einmal enorm hoch, viele Interpreten äußerst talentiert und beeindruckend. Die Wahl fiel wirklich schwer. Das neue Lied von Claudia Woloszyn, der Gewinnerin vom Freitagabend, wurde zum Lied des Wochenendes, wie die Liedspezialisten vom Werbellin-See es auf den Punkt brachten.
Einzelinterpreten wechselten mit Bands ab, der Spaß kam nicht zu kurz, aber auch das politische Engagement war vertreten. Wenn sicher auch nicht alles unter Liedermacher fällt, wenn man den Begriff historisch sieht und das ganz genau nimmt. Und frischer Wind kam in die Jury, mit viel Frauen und der jungen Liedermacherin Peggy Luck. Die sympathischen Moderatoren Peter Wolter und Petra Schwarz kämpften mit der Aussprache des Nachnamens „Woloszyn“, nachvollziehbar eine echte Herausforderung – und außerdem waren Tattoos ein großes Gesprächsthema. Einfach nur schön, dass die Feuersteine teils auch mit Nachwuchs aufliefen, denn der fällt einem ganz schnell ins Herz, reißt die Türen und Fenster weit auf…
Wer genau schauen will, wer was gewonnen hat, Platz 1-3: Hier stehts.http://www.hoyschrecke.de/
Und ein kleiner Tipp: es lohnt sich, mal im Archiv der Hoyschrecke auf der gleichen Seite zu stöbern. Angefangen von Gundis Gala-Konzert zusammen mit Christoph Staehlin bei der ersten Hoyschrecke bis zum 20. Jubiläum und mehr sind da alle Gewinner und viele besondere Auftritte vermerkt!
Die schönsten Stunden sind die weit nach Mitternacht. Peggy Luck und Helene Déus spielten wunderschön, gekonnt und munter auf, ebenso Peter Wolter vom schnapsigen Silbersee und Johan Meijer. Alte Folklieder, Wenzels Herbstlied erklangen, und der Gundi e.V. unterstützte mit Gesang (die Nederossi-Fraktion) und Flötentönen. Im Hotel traf man auf die Musiker von „Spirits of Woodstock“, die auch noch nicht ins Bett wollten. Da diese aus Italien kamen, eventuell fraglich aber auch aus Spanien, wurden vorsorglich „Bella ciao“ und „Spaniens Himmel“ angestimmt, was die Woodstock – Profis sehr positiv aufnahmen.
Auch ein extrem leckerer Eierlikör aus Thüringen, nachhaltig in ökologischen Minigläschen serviert, wurde dankbar aufgenommen…und wie immer gab es ein prima Frühstück. Und schon war das Wochenende wieder viel zu schnell vorbei. Chronische Übermüdung, weil die Zeit zum Schlafen zu schade ist, man trifft viele Leute zum Plaudern und Planen (spätestens bei der Mitgliederversammlung vom Gundi e.V.). Und man vermisst die, die nicht gekommen sind. Dieses Jahr den Liedermacher cARSCHTi, der schon im Mai sehr jung starb. Verdammt.
Danke an alle, die sich reinhängen, damit dieser Wettbewerb läuft, vor allem Pfeffi, Pille, Uwe und Co. Das 24. Liederfest wird vom 27.-29. November 2020 stattfinden, also schon mal im neuen Kalender markieren. Auf Wiedersehen! |