Tosender Beifall gleich zu Beginn, ein Konzert so schön und so berührend, dass ich erst gar nicht darüber schreiben wollte. Wie soll ich dem gerecht werden, was ich am 24.2.24 in der Kulturfabrik Hoyerswerda gehört und erlebt habe? Dabei bin ich so verwöhnt, gewohnt an ein hohes musikalisches Niveau in der Gundermann Szene, an die ungeheuer poetischen Texte, an eine außergewöhnliche starke Bindung zwischen Publikum und Interpreten, an musikalische Reisen in die tiefsten Tiefen der Gefühle, zu neuen Erkenntnissen und Aha-Erlebnissen immer noch.
Die Liedgefährten hatten vorab Konzerte absagen müssen, nichts Ungewöhnliches derzeit. Viele der Macher in der Musikszene sind ein wenig in die Jahre gekommen und müssen sich auch mal um ihre Gesundheit kümmern. Und das Publikum zittert mit, hofft und liebt – und dann im Februar 2024, zur Feier von Gundermanns 69. Geburtstag, standen die Liedgefährten im großen Saal der Kulturfabrik in Hoywoy wieder auf der Bühne. Und es war auch deswegen ein ganz besonderes Konzert, ungeheuer teuer dem Publikum, aber sichtlich auch den Liedgefährten selbst. Und Feuerstein Hugo Dietrich zitierte mit einem Augenzwinkern den Oktoberklub: „Da sind wir aber immer noch…“.
Die Liedgefährten haben aus ihrer Schatzkiste alles mitgebracht, was geht, fast alle je eingeübten Lieder – aus gutem Grund: „weil die Lieder uns immer wichtiger werden“, sagte Conny, Gundermanns Ehefrau und seine erste Kritikerin, „und sie passen immer mehr in diese Zeit“. Carmen Orlet singt ein so bedrückendes und beängstigendes Lied (Dante di Nanni, die Musik ist von Stormy Six), wie es kaum je gehört wurde, es schildert, wie nachts junge Leute einem alten Mann den Weg versperren und ihn schließlich zusammenschlagen, „kocht es ab, das rote schwein“. Und Gundermann wäre nicht Gundermann, wenn er sich nicht fragen würde: „Alter, dass es so viele sind, muss doch auch an uns gelegen haben“. Und aber auch sagt: „wenn uns heut nichts bleibt als zurück zu schlagen“. Musikalisch wird Angst, Verzweiflung und Selbstzweifel in der Interpretation der Liedgefährten sowohl gesanglich als auch musikalisch so eindringlich wiedergegeben, dass es bis ins tiefste Mark trifft. Ein unglaublich intensives Stück Musik, so etwas habe ich noch nie gehört, Carmen Orlet weiß, was sie tut und was sie singt.
Und es geht gerade so weiter! Die Liedgefährten übertreffen sich einfach nochmal selbst. Dass das überhaupt möglich ist, hätte ich nicht geglaubt. Das Programm ist doch immer schon eine einzige Kostbarkeit gewesen, egal wie zusammengestellt. Man hört hier viele Lieder von Gundermann, die es auf CD gar nicht gibt, die „Koffersongs, die geborgten Lieder“, jedes Einzelne ein Geschenk an das Publikum, wundervoll interpretiert, mal gemeinsam, mal in kleineren Konstellationen vorgetragen.
Dabei kommt uns zugute, dass es eine deutliche Schnittmenge zwischen Liedgefährten und der Brigade Feuerstein gibt: Aus dem Brigade-Fundus werden Perlen vorgetragen, neu interpretiert. „So lasst uns gehen“, so lebhaft und lebendig, als wären die Interpreten noch ganz blutjung. Man spürt richtig Sonne und Wind auf der Haut und in den Haaren, als säße man draußen, und gleich käme Gundermann um die Ecke und würde dann mitsingen bei der mehrstimmigen Version von „Blau und blau“. Es ist verdammt schwer, sitzen zu bleiben, viele Lieder sind so lebendig arrangiert, dass die Beine einfach nur tanzen wollen. Hugo Dietrich singt mit Conny und Carmen wunderschön in „Call and response“ bei „Armselig, traurig und klein“. Conny Gundermann singt „Für Christiane“ in einer unglaublichen Intensität und Schönheit. Linda Gundermann singt nicht nur das berühmte Hochzeitslied, sondern auch das unbekannte „Gehen oder bleiben“. Und sie wagt eine ganz andere Version von „Alle oder keiner“, sie singt Teile davon still und leise, spricht fast schon, bis Hugo Dietrich und dann auch die restlichen Liedgefährten losrocken. |