In der Renftstraße
Der nächste Tag beginnt früh: Schon um kurz nach zehn ist Abfahrt mit einem quietschroten Reisebus und einem ausnehmend gut gelaunten Busfahrer Richtung Leipzig. Kein Instrument, kein Kabel darf vergessen werden, alles wird verstaut. Alle helfen mit, sind äußerst routiniert, ohne das wäre es nicht gegangen. Und so stehen wir dann in Kürze auf Brettern, auf denen schon deutsche Musikgeschichte geschrieben wurde. Wir steigen in der Renftstraße aus, betreten den wunderschönen Anker Leipzig, freuen uns über die knallblaue Leuchtschrift, die unser Konzert am Abend ankündigt. Unser tschechischer Liedermacher Jan Řepka mit viel Gefühl für den historischen Ort macht Schnapschüsse vom fotogenen Saal und sagt, dass Lieder sein Anker sind! Es dauert nicht lange, da taucht auch schon der MDR mit Kamera und Mikros auf, stellt Fragen und bleibt sogar bis zum Konzert. Backstage ist sehr zünftig mit Plakaten aller Musikgrößen geschmückt, die hier schon spielten, und vielen Graffiti auf den weißen Wänden. Die Heinzelmännchen aus Berlin und Leipzig stehen schon parat und wirbelt in der vom Anker entliehenen Küche, denn so viele Musiker haben Hunger und müssen verpflegt werden. Pille wirbelt ebenfalls – für Gundis Techniker Pille ist unsere Tour mit den vielen verschiedenen Interpreten und den verschiedenen Ensembles eine echte Herausforderung, die er spielend meistert. Wir bauen unseren Stand auf und betätigen uns als Security. Aber unser Glück hält nicht – unser engagierter Moderator Bastian Bandt erkrankt kurz vor dem Konzert. Wir probieren, improvisieren – und es klappt, – die Liedermacher stellen sich gegenseitig oder selbst auch nochmal vor. (Dies war vor der Tour schon auf unserem facebook-Account und auf unserer Internet-Seite ausführlich geschehen, aber soziale Medien sind einfach nicht Jedermanns Sache). Auch die Ideen von Bastian greifen.
Und das Publikum ist fasziniert. Wir trauen unseren Augen kaum: alle stehen auf, klatschen begeistert, singen lauthals mit. Keiner von uns zweifelt mehr, dass diese Tour eine richtige Entscheidung war. Das Publikum versteht uns, unterstützt uns, möchte auch Gundis Lieder in anderen europäischen Sprachen und Interpretationen hören, begleitet von der schwedischen "Nickelharpa“ zum Beispiel oder a cappella auf plattdeutsch. Auch Alex Morellis schwäbische Version von „Hoywoy II“ kommt sehr gut an, wird humorvoll, wohlwollend und amüsiert aufgenommen. „M’hätt klaus oder Kalle hoisen kenna. S’war oinerlei. Waren elle nur Teig uff’m Spätzlesbrett“, deklamierte der Übersetzer aus Filderstadt, dessen Vater Kapitän in Brindisi war, oder: „Ond Feuersteins Musikpalascht, s‘war oinerlei, schnuckla, streita, denka, Hass. S‘war oinerlei“.
Die Heinzelmännchen packen unseren CD-Stand ein, räumen das Essen auf, die Küche wird in Ordnung gebracht. Völlig beseelt essen wir Pizza und segeln bei starken Windböen mit unserem quietschroten Bus, der mehrmals gefährlich abdriftet, zurück nach Großräschen, erst weit nach zwei Uhr sind wir da. Schön ist es auch, dass per Zufall wieder ein Musiker vom Landestheater Tübingen mit dabei ist. Thomas Müller gehört zur Band von Pier Angelo de Lazzer. Er ist im LTT Pressesprecher und ein geübter Bassist. Er bringt Theatererfahrung mit und sorgt dafür, dass es eine Inspizientin gibt – die hilft schauen, wer als nächstes auf die Bühne muß. Und ziemlich wahrscheinlich ist, dass das alles hier vermutlich ohne die geliebte Randgruppencombo aus Tübingen mit ihren vielen Instrumenten und anfangs ungewohnten Interpretationen nicht möglich gewesen wäre…hier spielen jetzt Musiker aus Belfast, Nijmegen und Warschau, aus Bologna, Odessa, Genf und Prag die Lieder von Gerhard Gundermann.
Erneute Generalprobe am nächsten Morgen: wer stellt wen vor - und wie wird es in Hoywoy laufen? Immerhin Gundis Heimathafen, wohin es heute geht. Die Kufa ist ausverkauft. Die Verteilung der Musiker auf unsere Privatautos funktioniert viel besser wie gedacht, und jetzt werden wir Heinzelmännchen auch noch durch zwei weitere Berliner verstärkt. |