Während alle anderen auf die Randgruppencombo verzichten müssen, haben wir in Tübingen jetzt ein riesiges Privileg. Der Intendant hat offensichtlich Heiner Kondschak auf den vorletzten Drücker bequatscht, alleine das vorweihnachtliche Gundermann-Programm zu bestreiten, unter dem Titel "Heiner Kondschak singt Gundermann - vielleicht mit Gästen". Das "vielleicht" ist der Pandemie und ihren Unwägbarkeiten geschuldet. Heike Rügert, eigentlich Musical-Musikerin in Hamburg, spielt z.Bsp. mit einem Orchester auf Kreuzfahrt, und Ester wohnt viel zu weit weg. Die 500 Leute im Saal, die sonst Platz hätten, dürfen nicht rein, die Einnahmen reichen nicht für eine große Band. Ein Mitglied hat gerade Corona. So hat Heiner die möglichen lokalen Kräfte mobilisiert, unter ihnen zwei wunderbare neue junge Sängerinnen, die jetzt mit Uschi Berberich, Rupert Hausner, Gerd Ritter, Heiner und Hannah Marx die "Not-Randgruppencombo" bilden. Ein absolutes Novum in der Band-Geschichte.
Das LTT leuchtet weihnachtlich in warmem Glanz wie jedes Jahr. Es ist klirrend kalt, wir haben große Spaziergänge auf der Schwäbischen Alb hinter uns. Dieses Jahr keine Mini-Ausstellung von der Tübinger Fraktion von Gundermanns Seilschaft e.V., kein CD - Verkauf, keine CDs aus Halle oder Berlin, alles zu gefährlich. Dafür Sicherheitsvorkehrungen wie am Flughafen, nein, das ist doch etwas übertrieben, vor allem sind die Kontrollen überaus warmherzig und freundlich. Möglichst früh da sein ist die Devise. Das Foyer sieht leer aus, auch als endlich alle da sind.
Wir freuen uns über Treffen mit alten Freund:innen, denen es auch dieses Jahr wieder nicht so prickelnd geht, es überfällt mich, ich weiß es doch, Gundermann-Fans sind im Leben nicht immer so die Gewinner, um das mal gaanz vorsichtig auszudrücken. Dafür sind sie genauso warmherzig wie die LTT-Eingangskontrolleure. Und erstmals treffen wir hier Freunde aus unserem Uckermärkischen Erholungsparadies. Das tut auch unendlich gut.
Das Publikum ist so glücklich, auch die Künstler begeistert, gerührt und erstaunt über die Reaktionen. Heiner Kondschak schaut in den spärlich belegten Zuschauerraum (mehr durften nicht) und sagt mit einer gewissen Ironie, dass er sich freue, endlich mal wieder vor so viel Publikum spielen zu dürfen. Eva Kilian und Hanna Herrlich singen mit Heiner im Duett, spielen mit ihm im Duo Gitarre, ihre wunderschönen Stimmen beeindrucken und werden von Uschi Berberich, Rupert Hausner, Hannah Marx und Gerd Ritter unterstützt. Wir im Publikum sind auch überglücklich, endlich ein Konzert zu hören. Es ist nicht die Randgruppencombo, die spielt, aber etwas Neues. Und Heiners Stimme ist die alte, vertraut, warm, nah, lebendig, deutlich, für uns ein Riesengeschenk und Riesenprivileg. Standing ovations trotz Pandemie-Publikum und zusammengestrichenem Programm und massiv dezimierter Band. Den Häuptling der Randgruppencombo nimmt es sichtlich mit, wie begeistert die Zuhörer reagieren - und die neuen Sängerinnen sind geplättet von soviel Freundlichkeit aus dem Publikum.
Und zuvor hat sich ein kleines Wunder ereignet. Eine kleine Tübinger Weihnachtsgeschichte. Ich bin auf der Jagd nach Danke-schön-Blumen für die Band in einen kleinen Tübinger Blumenladen geplatzt, - "was passt zusammen, welche für heute und welche für morgen, welche für den Chef, passt das überhaupt zusammen, was kostet das wohl, wie kann man das kombinieren mit der kleinen Weihnachtskugel und und und "....es lässt sich nicht vermeiden, dass die beiden Frauen vom Blumenladen Hamm in Lustnau freundlich nachfragen, was wir da denn so mitten in der Pandemie vorhaben.
Als ich meine Scheckkarte auspacke um zu bezahlen, sagt die eine: "Lassen Sie die stecken". Ich bin überrascht, verunsichert, - will die Dame, dass ich barzahle, uah, wird schwierig heute, bis ich irgendwann anfange zu verstehen, dass sie wirklich meint, dass ich die große Rechnung nicht bezahlen darf. Da lässt sie sich auch nicht überreden, ich habe keine Chance, obwohl ich das jetzt wirklich gar nicht will. Schließlich kaufe ich lokal, damit die Läden vor Ort überstehen, auch in der Pandemie, aber brüskiere ich sie jetzt, wenn ich nein sage...ich sorge mich. Doch schließlich gehe ich mit 3 großen Tüten Blumen aus der Tür, festentschlossen, die Spende direkt an die Künstler weiter zu geben, das Geld, dass ich jetzt sparte, ihnen zu überweisen. Und ich murmele: "Das ist ja wie Weihnachten..." bevor die Tür hinter mir zufällt.
Die Solidarität mit den Künstlern, die trotz allem Unglück nicht verzagen und so etwas auf die Beine stellen, ist wirklich unglaublich. Ich wünschte, sie kläme nicht von den kleinen Leuten sondern von der großen Politik. Für mich dieses Jahr ganz besonders unvergessliche Konzerte im LTT. |